Hirtenbriefe
Papst Franziskus: (Feier, die mit dem außerordentlichen Segen „Urbi et Orbi“ endete) |
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»Am Abend dieses Tages« (Mk 4.35). So beginnt das eben gehörte Evangelium. Seit Wochen scheint es, als sei es Abend geworden. Tiefe Finsternis hat sich auf unsere Plätze, Straßen und Städte gelegt; sie hat sich unseres Lebens bemächtigt und alles mit einer ohrenbetäubenden Stille und einer trostlosen Leere erfüllt, die alles im Vorbeigehen lähmt: Es liegt in der Luft, man bemerkt es an den Gesten, die Blicke sagen es. Wir sind verängstigt und fühlen uns verloren. Wie die Jünger des Evangeliums wurden wir von einem unerwarteten heftigen Sturm überrascht. Uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle schwach und orientierungslos sind, aber zugleich wichtig und notwendig, denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern, alle müssen wir uns gegenseitig beistehen. Auf diesem Boot ... befinden wir uns alle. Wie die Jünger, die wie aus einem Munde angsterfüllt rufen: »Wir gehen zugrunde« (vgl. V. 38), so haben auch wir erkannt, dass wir nicht jeder für sich, sondern nur gemeinsam vorankommen. Amen
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Erzbischof Reinhard Kardinal Marx: Hirtenbrief zum Beginn der Österlichen Bußzeit 2019 „Miteinander den Weg der Erneuerung gehen“ |
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Liebe Schwestern und Brüder,
welche Vorsätze haben Sie für diese Fastenzeit gefasst? Worauf wollen Sie verzichten? Sieben Wochen ohne Süßigkeiten oder Alkohol oder soziale Medien? Oft geht es beim Verzichten eigentlich um uns selbst, um unser persönliches Wohlergehen, darum innerlich unabhängiger zu werden oder zu probieren, ob wir auf bestimmte Annehmlichkeiten verzichten können. All das hat seinen Wert. Doch in der Fastenzeit geht es um noch mehr: Es geht darum, das eigene Leben wieder neu zu orientieren, sich bewusst zu werden, was es heißt, Christ zu sein. Denn: Jeder von uns hat eine Mission, eine Sendung, einen Auftrag! In der Fastenzeit sollten wir neu überlegen, ob wir unserer Lebenssendung treu sind und wie wir die Kraft finden, den Weg zu gehen, der wirklich unser Weg ist, den nur wir selbst gehen können.
Ich lade Sie ein, dass wir auch im Erzbistum München und Freising versuchen, immer wieder neu diese Schritte zu gehen. Dabei weiß ich sehr wohl, dass ich als Ihr Bischof besonders gefordert bin, voranzugehen. Doch in den großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, brauchen wir einander, brauchen wir den gemeinsamen Weg. Und deshalb ist für mich diese Fastenzeit 2019 auch ein besonderer geistlicher Moment, eine Einladung, gemeinsam und mit Jesus Christus zusammen diese 40 Tage zu erleben, um neu zu begreifen, wozu wir gesandt sind, und auch zu verstehen, was hinter uns bleiben muss, wo wir uns ändern müssen und wo wir Wege der Erneuerung gehen können. Deshalb möchte ich die drei Schritte noch einmal durchdenken:
In der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz haben wir bereits drei Themenfelder genannt, die aber noch eine wirkliche Vertiefung im Sinne der drei Schritte erforderlich machen:
Wir können all das nur miteinander besprechen und auch gemeinsam vorangehen, wenn wir die Schritte des Hinhörens und des Unterscheidens nicht auslassen.
So wünsche ich Ihnen eine gute Zeit des Hörens, des Unterscheidens und des Handelns.
München, im Februar 2019 |
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Reinhard Kardinal Marx: „Zum Sonntag“, im Bayerischen Rundfunk am 1. Juli 2017 Weltgemeinwohl für alle
Für praktische Fragen müssen praktische Antworten gefunden werden. Deshalb ist es zuweilen ganz hilfreich, selbst die großen Probleme der Welt überschaubar zu machen. Das gilt auch für die Fragen, die Ostafrika betreffen. Dort gibt es eine zunehmende humanitäre Katastrophe: Millionen Menschen sind von einer Hungersnot betroffen. Diese Katastrophe findet oft weitab von unserer Öffentlichkeit statt. Erst, wenn wir die Bilder entkräfteter und unterernährter Menschen sehen, nehmen wir das wieder wahr. Dann müssen sehr rasch praktische Antworten gefunden werden: es braucht Hilfsgüter und auch Spendengelder.
Neben dieser unersetzbaren praktischen Hilfe aus Solidarität, müssen wir auch über die grundlegenden Fragen ernsthaft nachdenken. Denn die einzelnen Probleme können nur nachhaltig gelöst werden, wenn sie in einem größeren Zusammenhang verstanden werden. In dieser Verantwortung stehen auch die Staats- und Regierungschefs der G20, die sich nächste Woche in Hamburg treffen. Verlässliche Gesprächspartner auf staatlicher Ebene sind ebenso notwendig wie ein weltweiter Ordnungsrahmen, für den die katholische Kirche immer wieder eintritt.
Für die Katholische Soziallehre ist dafür leitend der Begriff des Weltgemeinwohls. Das meint Folgendes: In einer Welt, die nicht nur ökonomisch immer enger zusammenrückt, muss es über das Gemeinwohl innerhalb der einzelnen Staaten hinaus auch ein internationales Gemeinwohl geben. Um ein solches weltumspannendes Gemeinwohl nachhaltig in den Blick nehmen zu können, reichen praktische Einzellösungen nicht aus, sondern notwendig sind Strukturen einer internationalen Ordnung. Solche gesicherten Strukturen müssen sich um die Fragen kümmern, die von einzelnen Nationalstaaten längst nicht mehr angemessen bearbeitet und gelöst werden können.
Das gilt erst recht, wenn Konflikte innerhalb und zwischen einzelnen Ländern zunehmen und es schwierig wird, in internationalen Gesprächen verlässliche Partner zu finden. Und das gilt auch gerade, wenn es in Europa und den Vereinigten Staaten Tendenzen zur Abschottung und zum Nationalismus gibt, die das Wohl der gesamten Weltgemeinschaft aus dem Blick verlieren und nur die eigenen Interessen sehen wollen.
Wie man die internationale Ordnung gestaltet und auch in einer guten Balance hält zwischen den Interessen der Nationalstaaten und dem Weltgemeinwohl ist ohne Zweifel eine schwierige Aufgabe. Aus dem christlichen Glauben heraus ist es aber eine vordringliche Aufgabe, die der gleichen Würde des Menschen geschuldet ist. Wir sind füreinander verantwortlich, weil jeder Mensch Bild Gottes ist. Es gibt die eine Menschheitsfamilie, die in Solidarität verbunden ist.
Die Idee des Weltgemeinwohls ist notwendig mit dem Gedanken der Solidarität verbunden. In unserer aktuellen Weltlage wird Afrika so etwas wie der Testfall internationaler Solidarität sein. Der Kontinent hat riesige Chancen der Entwicklung, und sicher auch riesige politische, wirtschaftliche und soziale Probleme. Die Probleme Afrikas müssen vor Ort gelöst werden, aber mit unserer Unterstützung. Eine solche Solidarität ist letztlich gut für alle, auch für uns!
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Erzbischof Reinhard Kardinal Marx: Fastenhirtenbrief „Ein Leben in Freiheit und Verantwortung" |
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Freiheit ist ein großes Wort. Die Geschichte der Menschen ist geprägt vom Kampf um die Freiheit. Fremdherrschaft und Zwänge zu überwinden, Unterdrückung und Diktatur zu bekämpfen, sich von innerem und äußerem Druck zu befreien, all das wiederholt sich immer wieder in der Geschichte der Menschheit, der Völker, aber auch im Leben jedes Einzelnen. Der Ruf nach Freiheit, die Suche nach Freiheit, der Einsatz fir die Freiheit ist tief im Menschen verwurzelt und das wird sicher so bleiben. Auch jüngste politische Ereignisse, wie etwa die Auseinandersetzungen in der Ukraine oder in der arabischen Welt, zeigen uns, wie leidenschaftlich und intensiv der Kampf fir die Freiheit ausgefochten wird. Aber die politische Freiheit ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, die Freiheit auch wirklich zu leben. Wir dürfen dankbar sein fir unser offenes und freies Gemeinwesen. Aber wir spüren auch immer mehr, wie sehr die Freiheit uns herausfordert. Die Zwänge politischer Unterdrückung sind verschwunden. Der Druck, einer bestimmten Kultur, Religion, Familientradition folgen zu müssen, wird schwächer. Das sollten wir nicht beklagen. Aber es ergibt sich dann die Notwendigkeit, in einer Fülle von Möglichkeiten selbst zu entscheiden. Dann kann auch die schmerzliche Seite der Freiheit erfahrbar werden, die „Qual der Wahl", wir müssen uns eben mit verschiedenen Wegen auseinandersetzen. Wo wir nicht mehr in feste Ordnungen eingezwängt sind, müssen wir selbst entscheiden über unsere Lebensweise, unsere Ziele, unsere Freundschaften, unsere politischen und religiösen Überzeugungen. Die Freiheit ist Gabe und Aufgabe. |